Wer sagt denn, dass ich alles, was ich brauch', in meinem Computer krieg'?

Teil 3: ALL YOUR BASE ARE BELONG TO US!!!

2001 endete Opas letzte Geschichte über das Internet und daher mache ich konsequenter Weise nicht da weiter, sondern rudere nochmal ca. ein Jahr zurück.

Teil meiner Ausbildung zum Fachinformatiker damals war ein betriebsbegleitendes Praktikum, welches ich beim Betreiber eben jener Mailbox absolvierte, um die es im ersten Teil ging. Die Mailbox war zu diesem Zeitpunkt nur noch eine Liebhaberei des Chefs, in die man sich nur noch per Telnet einwählen konnte. Die Bude war mittlerweile hauptsächlich zu einem ISP und allgemeinem Computer-Verkaufs-und-Reperatur-Netzwerk-Laden geworden. So verbrachte ich meinen Sommer damit, entgeltfrei in einem Schulgebäude bei ca. 45 Grad Innentemperatur Netzwerkkabel zu konfektionieren und zu patchen, damit die Schüler im Computerraum in Zukunft Excel, Word und PowerPoint lernen oder stattdessen lieber heimlich Duke Nukem 3D spielen können würden.

Das hatte zwar alles so gar nichts mit meiner Ausbildung zu tun, aber als Praktikant hatte ich wohl nicht mehr zu erwarten. Wenn ich nicht auf einem meiner zahlreichen Außeneinsätze Windows 98 Computer mit dem Internet verband oder Leuten erklärte, dass das schabend-klackernde Geräusch der kaputte Motor ihrer Festplatte war und nein, die Daten sind weg, für immer, saß ich im Büro und hatte die für mich schnellst-vorstellbare Internetverbindung zur Verfügung. Wie gesagt, der Laden war Internet Provider und eine Wand in einem Nebengebäude war mit unzähligen ISDN-NTBAs zugepflastert, die zusammengeschaltet einen fetten Uplink ins Internet herstellten, sowohl fürs Büro als auch für die Kunden mit ihren Modems oder ISDN Karten. Haha, diese l4m3r!

Das Thema Urheberrecht war zu diesem Zeitpunkt wie schon zuvor erwähnt weder bei mir noch in der allgemeinen Wahrnehmung sonderlich präsent und so hatten wir in der Firma den Napster Server. Der war exklusiv für das Runterladen jeglicher Musik vorgesehen und war mit einer (für damalige Verhältnisse) riesigen Festplatte ausgestattet. Alle MitarbeiterInnen konnten dort nach Herzenslaune wahlweise das neue Briney Spears, Limp Bizkit oder die verbalen Auswürfe der verrückten neuen Reality Show Big Brother downloaden. Ich selbst habe hauptsächlich irgendwelche Hip-Hop Tracks geladen, u.a. viel französischen Kram, den man nirgends kaufen konnte und natürlich auch viel late-90ies-scheiß-Musik. Der Unterschied zur eigenen Internetverbindung zu Hause war, dass man das Lied anklickte, welches man haben wollten und es war in Sekunden statt in einer Viertelstunde da. Ach ja: Nicht heimlich, der Chef hatte das Ding ja aufgestellt für die allgemeine Nutzung.

Der erste Film, den gefühlt jeder gebrannt auf VCD haben wollte, war Star Wars Epiode 1. Der war aber sowohl inhaltlich als auch qualitativ (wackelig von der Kinoleinwand abgefilmt, Ton komplett unverständlich und der Typ vor der Kamera stand immer wieder auf) so schlecht, dass das große Filme/Serien runterladen erst in den nun folgenden Jahren so richtig in den Mainstream ging.

PC und Videospiele gab es auch en masse, praktischweise auch CD Brenner und Rohlinge, aber ich möchte hier nicht zu detailliert auf lange verjährte juristisch-relevante Entgleisungen eingehen. Wild Times.

Ein weiterer Vorteil meines Praktikums war unerschöpflicher Zugriff auf veraltete Computer. Und so baute ich fleissig 1-Disk-Router aus alten 486er Mainboards. Rezept: 1 x Netzteil, 1 x 486er Mainboard, 2 x Netzwerkkarten 10 MBit, 1 x Diskettenlaufwerk. Auf Diskette gab es eine Mini-Linux Distribution, die diese Kombination in einen Router verwandelte und es so ermöglichte, mehr als einen Rechner an eine Internetverbindung zu hängen, was im Privatbereich noch nicht verbreitet war. Und so fanden sich später in diversen Studenten-WGs meiner Freunde ohne-Gehäuse-an-die-Wand-geschraubte-486er wieder. Der Stromverbrauch dieser Dinger war natürlich katastrophal und das falsche Berühren eines Kondensators hätte vermutlich auch mit Krankenhausaufenthalt bestraft werden können, aber alle Beteiligten haben zum Glück überlebt.

Im Keller meiner Eltern stand neben dem Router dann noch ein FreeBSD Server (Linux war mir zu trivial, warum auch immer) auf dem ein nach heutigen Standards grausam abgesicherter Web- und Counter-Strike-Server lief. Hier ging es mir eher um die Technik als um die wirklichen Inhalte, ich hatte eine große Faszination damit, dass es mir mit so wenigen Tools möglich war, einen 23h 59Minuten am Tag weltweit erreichbaren Server bereitszustellen.

In einigen der IRC Kanäle, in denen ich mich rumtrieb war plötzlich jeder zweite Satz “All your base are belong to us” oder auch “What you say!”. Ich war auf eines der ersten wirklich großen Memes gestoßen, bei dem man die schlechte Übersetzung eines SEGA Spiels von 1989 zum Anlaß nahm, wirklich alles mit AYBABTU zu kommentieren. Andere Phänome dieser Zeit waren der Hampster Dance, Joe Cartoon und viele, viele andere GIF oder Flash basierte Websites.

Bei meinem Wechsel zu Apple Hardware 2003 wurde eine Technologie zunehmend wichtiger: WLAN. Dank der guten Antenne in meinem Power Book 12” konnte ich die 3 Monate, die Arcor damals brauchte, um meine Wohnung mit DSL zu versorgen mit einer wireless Verbindung zu einem Kollegen, der auf der anderen Straßenseite wohnte überbrücken. Und da es keine anderen WLANs außer den unseren gab, lief das erstaunlich stabil.

Und nicht nur dank WLAN begann das Internet mobiler zu werden. Zwar konnte ich bereits eines meiner ersten Handys via Infrarot-Schnittstelle als Modem nutzen (was ich auch bei einem Schweiz Aufenthalt mal ausprobierte, um mich mit dem Notebook ins Internet einzuwählen – zum Glück wurde das nie abgerechnet; ich hätte vermutlich bis 2076 Schulden bei E-Plus) aber mein erstes Telefon, mit dem man direkt ins Internet konnte, war von NEC und bot einen Dienst names iMode. iMode war in Japan lange Zeit sehr erfolgreich, setze sich aber dank nicht vorhandener Services in Deutschland nie durch. Bei meinem ersten Arbeitgeber NAVIGON (R.I.P.) nutzten wir PDAs und später die ersten Smartphones um Navigationssysteme auf kleine Endgeräte zu bekommen. Die hatten eine fürchterliche Touchbedienung, gerne mit winzig kleinen Plastikstiften, auch Stylus genannt. Das Betriebssystem Microsoft Windows CE war direkt aus der Usabilityhölle entkommen, ermöglichte es aber, E-Mails und seeeehr eingeschränkt Webseiten unterwegs zu öffnen, wenn das Gerät entsprechende Konnektivität bot. Praktisch nutzbar war das aber dank unbezahlbarer (Edge und 3G)-Datentarife und nicht angepassten Websites aber genausowenig wie iMode. Das funktionierende mobile Internet kommt 2007 mit dem iPhone. In Teil 4. MAIN SCREEN TURN OFF.


Lyrics: Deichkind – Wer sagt denn das?

#InternetHistory #AYBABTU #IRC #iMode #JoeCartoon